Arbeit, so sagt ein altes deutsches Sprichwort, sei das halbe Leben.
Man sollte meinen, dass diese Ansicht längst der Vergangenheit
angehört. Doch stattdessen ist die Debatte um Arbeit
komplexer und umfangreicher als zuvor - und das schon seit geraumer
Zeit. Vor dem Hintergrund der unendlichen Möglichkeiten
bei der Berufswahl und dem Paradigma eines selbstbestimmten
Lebens führen diesbezügliche Entscheidungen zunehmend zu
einer überforderung des Einzelnen. Aktuell wird immer häufiger
die Frage gestellt, welchen Stellenwert wir der Arbeit im Gefüge
zwischen Freizeit, Familie, Selbstund Fremdbestimmung beimessen
und ob wir Arbeit und Freizeit überhaupt voneinander trennen
können und wollen. Wo liegt das Zentrum unserer “Work-
Life-Balance”, wo und wie wollen wir arbeiten, in was wollen wir
unsere Zeit investieren? Für die einen ist Arbeit ein wesentlicher
Aspekt der Daseinserfüllung, für andere die Existenzsicherung
und für wieder andere eine psychische Belastung, vor allem, oder
gerade dann, wenn die Arbeit fehlt. Arbeit in ihrer heutigen Form
ist aber auch die Ursache für unseren enormen Ressourcenverbrauch
und führt unaufhörlich zur Zerstörung der gemeinsamen
Lebensgrundlagen. Gerade dieser Aspekt zeigt wie verwoben
die Argumente sind und wie dringend notwendig eine Neubetrachtung
der Prioritäten und Verhältnisse geworden ist.
Die Studierenden haben sich unter meiner Leitung über zwei Semester
hinweg mit den gegenwärtigen und zukünftigen Formen
der Arbeit auseinandergesetzt: Während im ersten Semester die
aktuellen Einflüssen auf die Arbeitswelt hinsichtlich technologischer,
ökonomischer und sozialer Veränderungen thematisiert
wurden, sind im zweiten Semester die Produktionsweisen dieser
Projekte unter den Gesichtspunkten einer zukunftsorientierten
Kreislaufwirtschaft behandelt worden.
DesignerInnen, insbesondere Industrial Designer, haben unmittelbaren
Einfluss auf die Werkzeuge der Arbeit und auf das Zusammenarbeiten
der Menschen an den Arbeitsstätten. Egal ob in
Büros, Studios, Werkstätten, auf den Feldern oder zu Hause... DesignerInnen
wecken die Konsumwünsche einer Gesellschaft und
befriedigen sie zusammen mit der Industrie und dem Handwerk,
indem sie Ressourcen zu Produkten und Dienstleistungen
verwandeln. Es liegt also nahe, dass DesignerInnen eine zentrale
Rolle bei der Umgestaltung der Themenkomplexe Arbeit und
Wirtschaft zukommt.
Die Studierenden wurden zwei Semester hindurch vom Team
der ID1 (Christian Ruschitzka, Christian Steiner, Christoph von
Berg, Doris Grossi, Elisabeth Wildling, Eva Kitting, Jakob Illera,
Katrin Sailer, Marcus Bruckmann, Peter Mahlknecht, Sandra Hofmeister,
Sophia Podreka und Ursula Klein) begleitet und zusätzlich
von Gonzalezhaase (Berlin), Mirko Borsche (München), Harald
Gründl (EOOS-Wien), Matylda Krzykowski (Berlin), Gustav
Lindholm (HAY-Copenhagen), Daniel Prost (Institut für Architektur,
die Angewandte), Dominik Hammer, Arthur Desmet sowie
Lina Fischer (DIEZOFFICE-München) in zahlreichen Gesprächen
und Workshops unterstützt. Den Auftakt des Projektes machte
Matylda Krzykowski mit einem 3-Tages Workshop zu
persönlichen, spekulativen Arbeitsräumen. Bei der Umsetzung
der Projekte und der Ausstellung wurden die Studierenden von
unserem Projektpartner, dem Augsburger Unternehmen WAGNER-
LIVING, großzügig und wertvoll unterstützt.
Stefan Diez, München, Februar 2021
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von WORKSPACE IN PROGRESS
steht das Verhältnis einer jungen Generation zum Thema
Arbeit. Die Entwürfe thematisieren die aktuellen Bedingungen
der Arbeitsumwelt, wie Kreativität, Anpassungsfähigkeit
und Flexibilität, und die damit verbundenen technologischen,
ökonomischen und sozialen Herausforderungen. Es gibt kaum
einen besseren Ort um Gegenwart und Zukunft zu verhandeln
als in Lehre und Ausbildung. Die Frage welche bevorzugten
Räume wir brauchen, um unser Einkommen zu verdienen und
wofür wir unsere Zeit investieren wollen ist wiederkehrend. Und
noch viel wichtiger: Werden es Tätigkeiten sein, denen wir nachgehen
wollen?
Das Resultat dieser Verhandlung ist eine Ausstellung im MAKK
Köln bestehend aus einem Depot aus Produkten und Projekten
in Form von Prozessen, Möbeln, Leuchten, Kleidung, Video,
Geräten und Systemen. Im Laufe der Ausstellung werden diese
Ideen im Sinne von Requisiten auf einer Bühne durch Performances
aktiviert. Durch die Handlung werden erwartete und
gefühlte Herausforderungen wie Remote Working, Mangel an
Bewegung, Limitation von Raum oder fehlende Privatsphäre
deutlich.
Selten hat ein Thema sämtliche Arbeits- und Lebensbereiche
so dominiert wie die Pandemie. Unser gewohntes Umfeld ist
zu einem Bildschirm geworden. Bei der Frage wie die Entwürfe
der Studierenden mit einem, womöglich im Museum abwesenden,
Publikum in Kontakt treten können, entstand der Vorschlag
die performativ dargestellten Arbeitsabläufe zu dokumentieren
und in Form von Videos im digitalen Raum zu teilen. Es reicht
nicht aus, ein Produkt, welches im Analogen stattgefunden hat,
spiegelbildlich ins Digitale zu übersetzen. Die Betrachtung einer
körperliche Erfahrung hingegen inszeniert die Möglichkeit Arbeit
auf eine Art und Weise zu erleben. Erst durch eine Handlung
werden Entwürfe in ein mögliches Weltbild integriert.
Matylda Krzykowski, Berlin, Februar 2021
WORKSPACE IN PROGRESS wird vom 27. April - 09. Mai 2021, parallel zu einem digitalen Programm, im Museum für angewandte Kunst in Köln MAKK zu sehen sein Die Ausstellung ist von Matylda Krzykowski kuratiert, von Lina Fischer (DIEZOFFICE) geplant und grafisch vom Bureau Borsche umgesetzt. Videoproduktion in Zusammenarbeit mit Daniel van Hauten.
WORKSPACE IN PROGRESS entstand in Zusammenarbeit und mit wertvoller Unterstützung durch WAGNER-LIVING, Augsburg.